Am Abend des 26. Mai hielt der Dekan der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Herr Prof. Dr. Michael Menger, die für ein Leopoldina Symposium typische sog. „Public Opening Lecture“ für die Bevölkerung mit dem Thema „Translationale Forschung in der Chirurgie und der Transplantationsmedizin: Revolution, mühseliges Tagewerk oder illusionärer Flop“. Hierin ging er zur Freude der gut 60 Zuhörer auf verschiedene Aspekte der Überführung von Grundlagenforschung in die Klinik zum Wohl der Patienten ein. Einige Ansätze werden nach vielen Jahren mühsamer Kleinstarbeit und auch gegen Widerstand in der Kollegenschaft in die Klinik eingeführt und einige Ideen verändern geradezu revolutionär die Behandlungsansätze für bestimmte Krankheiten am Patienten. Ein Beispiel für letzteres ist die Einführung der Knopflochchirurgie („Laparoskopie“).
Anschließend trafen sich alle Referenten und Zuhörer zu einem gemeinsamen Grillabend neben dem Tagungsort im CIPMM (Centrum für Integrative Physiologie und Molekulare Medizin).
Am Freitag früh begann das englischsprachige Symposium für die rund 90 Teilnehmer in Präsenz und die etwa 20 online zugeschalteten Zuhörer mit einem Grußwort von Herrn Prof. Dr. Manfred Schmitt, Präsident der Universität des Saarlandes, sowie Herrn Prof. Dr. Rudolf Guthoff, ehemaliger Ordinarius für Augenheilkunde der Universitätsaugenklinik Rostock in Vertretung des leider nicht abkömmlichen Präsidenten der Leopoldina, Herrn Prof. Dr. Gerald Haug.
Herr Prof. Dr. Hans-Joachim Schäfers, Direktor der Klinik für Thorax- und Herz-Gefäß-Chirurgie am UKS, begleitete als Vorsitzender mit ausgiebiger Diskussion die Vorträge von Herrn Prof. Dr. Michael Stöckle, Homburg, über die roboter-assistierte laparoskopische Lebendspenden-Nieren-transplantation und die kritische Sicht auf die Lebertransplantationsallokation in Deutschland von Herrn Prof. Dr. Hans J. Schlitt aus Regensburg sowie die sehr tiefgründigen Errungenschaften in der präklinischen und klinischen Xenotransplantation des Herzens durch Herrn Prof. Dr. Paolo Brenner aus München.
Es kam in der Diskussion immer wieder zum Ausdruck, dass die Transplantationsmedizin in Deutschland, insbesondere wegen der Nicht-Einführung der Widerspruchslösung im Transplantations-gesetz sehr stark leidet und es damit zu mehr Todesfällen von Patienten als nötig kommt, die vergeblich auf ein Transplantat warten.
Nach der ersten Kaffeepause präsentierte Frau Prof. Dr. Sara Brucker, die online aus dem Oman zugeschaltet war, ihre fantastischen Konzepte und Ergebnisse über die Uterus-Transplantation. In Tübingen wurden so bei bisher 4 Frauen nach Embryotransplantation ein gesundes Neugeborenes zur Welt gebracht. „Women are indeed fascinating!“
Der Tierarzt Herr Prof. Dr. Eckhard Wolf aus München berichtete anschließend eindrücklich über die genetisch veränderten Schweinespenderherzen für die Xenotransplantation aus der Perspektive eines Biotechnologen. Interessanterweise muss auch die Größe des Spenderherzens an die Größe des menschlichen Herzens angepasst werden. Darüber hinaus ging Herr Prof. Wolf auf die Möglichkeit der Xenotransplantation von Pankreasinseln ein.
Nach der Mittagspause übernahm Herr Prof. Dr. Michael Menger den Vorsitz und kommentierte den äußerst interessanten Vortrag von Frau Prof. Dr. Maria Vehreschild aus Frankfurt über das intestinale Mikrobiom, dessen Modulation und Transplantation. Der sogenannte fäkale Mikrobiota-Transfer (FMT) ist eine Therapie die darauf abzielt, dass gestörte Darmmikrobiom kranker Patienten durch den Transfer von fäkalem Mikrobiom von gesunden Spendern in den Darm des Patienten zu heilen. Dies kann entweder endoskopisch, rektal oder oral unter Zuhilfenahme von verkapselten Präparaten erfolgen.
Anschließend berichtete Herr Prof. Dr. Patrick MacDonald vom Institut für Pharmakologie der Universität Alberta in Kanada über die Isolation des Biobankings von menschlichen Pankreasinseln für die Forschung. Er ging – online live aus Kanada zugeschaltet – auch darauf ein, auf welche Art und Weise menschliche Inseln, die nicht für die Transplantation geeignet sind, für die Forschung gewonnen und – trotz Corona – weltweit verteilt werden können.
Anschließend referierte Herr Prof. Dr. Per-Olof Berggren vom Rolf Luft Research Center for Diabetes and Endocrinology des Karolinska Instituts der Karolinsky Universität in Stockholm über die Transplantation von Pankreasinseln in die Vorderkammer des Auges um Diabetes mellitus zu kurieren. Anscheinend ist diese Injektion in die Augenvorderkammer ohne Augeninnendruckerhöhung möglich. Die Inseln wachsen in den Iriskrypten an. Allerdings wird das Immunprivileg der Augenvorderkammer durch Auswachsen von Irisgefäßen um diese Pankreasinseln gestört, sodass es nach mehr als 6 Wochen auch zur Abstoßung kommen kann.
In der dritten Sitzung übernahm Herr Prof. Dr. Frank Schmitz aus der Neuroanatomie der Universität des Saarlandes den Vorsitz. Frau Prof. Dr. Masayo Takahashi aus Kobe, Japan, stellte eindrucksvoll, per Video zugeschaltet, die verschiedenen Aspekte der Transplantation von Netzhautzellen und von retinalen Pigmentepithelzellen bei Krankheiten der Makula, wie zum Beispiel altersbezogene Makuladegeneration aber auch Retinitis pigmentosa dar. Sie stellte fest, dass bei Menschen eine Transplantation von Einzelzellen des retinalen Pigementepithels keinen Sinn macht, sondern nur ganze Lagen von retinalem Pigmentepithel subretinal transplantiert werden können.
Im Anschluss daran stellte Herr Prof. Dr. Berthold Seitz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums des Saarlandes, der zusammen mit seiner Assistentin Frau Alfreda Zäch-Welsch auch der Hauptorganisator war, die seit fast 33 Jahren erfolgreich durchgeführte Excimer-Laser assistierte Hornhauttransplantation bei der Normalrisiko-Keratoplastik vor, die bekanntlich zu einem geringeren Astigmatismus, einer höheren Regularität der Oberfläche und einer besseren Sehkraft führt. Im Gegensatz dazu ist die konventionelle auf Applanation der Hornhaut basierende Femtosekundenlaser-Trepanation nicht geeignet, um zum Beispiel beim Keratokonus ein gutes refraktives Ergebnis zu erzielen. Trotz der Möglichkeit von beliebig konfigurierten Rändern, werden durch die Applanation der Hornhaut nicht-runde Öffnungen in die Hornhaut geschnitten, sodass es zu einem teilweise dramatischen Astigmatismusanstieg nach Fadenentfernung bei Femtosekundenlaser-assistierten Trepanation kommt. Die derzeit erprobten Liquid Interfaces für die Femtosekundenlaser-Trepanation könnten hier eine Verbesserung bringen.
Anschließend stellte Herr Prof. Dr. Claus Cursiefen, Direktor der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Köln, die verschiedenen Ursachen und Einflussmöglichkeiten (z. B. präoperatives Crosslinking) auf die Immunreaktion bei Hochrisiko-Keratoplastik dar. Er beschrieb seine Entdeckung der Lymphgefäße in der Hornhaut und verglich die verschiedenen Häufigkeiten und Ausprägungsarten der Immunreaktionen nach lamellärer Keratoplastik (DALK, DSAEK, DMEK) mit denen bei konventioneller durchgreifender Hornhautverpflanzung.
Nach der zweiten Nachmittagspause startete Frau Prof. Dr. Martina Sester von der Abteilung für Transplantation und Infektionsimmunologie der Universität des Saarlandes ihren Vortrag zum Thema Immunomonitoring bei transplantierten Patienten. Dieses Immunomonitoring kann Patienten herausfinden, welche ein erhöhtes Risiko für infektiöse Komplikationen haben, um so eine adäquate Prophylaxe anzuwenden. Darüber hinaus stellte sie eindrücklich das Immunomonitoring nach verschiedenen Strategien der SARS-CoV-2-Immunisierung vor.
In der Folge berichtete Herr Prof. Dr. Edward K. Geissler, der Leiter der Experimentellen Chirurgie an der Universität in Regensburg, über die Perspektiven der zellbasierten Immuntherapie bei der Organtransplantation. Er schlussfolgerte, dass die sogenannte ONE-Studie herausgefunden hat, dass die regulatorische Immunzelltherapie bei der Lebendspenden-Nierentransplantation sicher ist und mit einer vergleichbaren Abstoßungsreaktion einhergeht, allerdings mit signifikant weniger infektiösen Komplikationen.
Den Abschluss in der Diskussion von Transplantation verschiedener Organe und Gewebe stellte Herr Prof. Dr. Peter Dreger von der Universitätsklinik Heidelberg dar. Er ging auf die zelluläre Immuntherapie bei hämatoonkologischen Erkrankungen ein und spannte einen weiten Bogen von der allogenen Stammzelltransplantation zu der sogenannten „chimeric antigen receptor-engineered T-cell“ (CAR-T-Cell) Applikation. Die CAR-T Cell Therapie hat heute bei aggressiven, akuten Knochenmarksmalignomen, wie zum Beispiel bei großen B-cell Lymphomen und multiplen Myelomen, die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation in spezialisierten Zentren ersetzt.
Abschließend fasste Herr Prof. Dr. Rudolf Guthoff, ehemaliger Ordinarius für Augenheilkunde der Universität Rostock, die ethischen und ökonomischen Betrachtungen in verschiedenen Gesund-heitssystemen der Welt im Hinblick auf die Gewebe- und die Organtransplantation zusammen. Er betonte, dass es sich hier um im Fluss befindliche und von der Weltanschauung in dem jeweiligen Land geprägte Regelungen handelt und schloss mit dem Vergleich von Max Webers „Gesinnungsethik“ mit der „Verantwortungsethik“.
Am späten Nachmittag ging ein von allen Beteiligten als sehr interessantes und von großer Breite und Tiefe geprägtes Leopoldina Symposium in Homburg zu Ende. Es wurde von vielen Zuhörern der Wunsch an die Organisatoren herangetragen, in absehbarer Zeit erneut ein ähnliches, qualitativ hochwertiges Leopoldina Symposium in Homburg zu veranstalten.
Die wissenschaftliche Basis für das Leopoldina Symposium lieferte der SFB 894, SFB TRR 219, SFB 1027 und der TRR 152 der Universität des Saarlandes. Das Sponsoring, welches frei von Industriegeldern sein musste, erfolgte neben der Leopoldina und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) durch die Willy Robert Pitzer-Stiftung in Frankfurt und die Dr. Rolf M. Schwiete-Stiftung in Mannheim. Die Organisatoren bedanken sich ganz herzlich bei den Sponsoren, ohne die sowohl der Grillabend am Donnerstag als auch die Pausenverpflegung und das kulinarische Mittagessen am Freitag nicht in der gewohnten saarländischen Gastfreundlichkeit möglich gewesen wäre.